Europa – Quo Vadis? - Bericht zum Europagespräch mit Miguel Vicente

Hinzugefügt am 23. Mai 2016

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Bereits zum zweiten Mal versammelte sich die gesamte Oberstufe des Elisabeth-Langgässer-Gymnasiums Alzey in der neuen Mensa, um sowohl die Europawoche, die in Rheinland-Pfalz am 30. April startete, als auch den Titel Europaschule zu feiern.

Da ein europäischer Festakt ohne europapolitischen Diskurs nicht denkbar wäre, schloss sich an die Eingangsrede des Schulleiters eine Diskussion mit Miguel Vicente, dem Beauftragten für Migration und Integration des Landes Rheinland-Pfalz, an. Europa – Europa, Quo Vadis? – wohin gehst du? So lautete die Frage an den Referenten Vicente, dessen Eltern selbst als spanische Gastarbeiter in den Sechzigern nach Deutschland kamen.

Die Flüchtlingskrise, oder wie Vicente es neutraler formulierte, die Flüchtlingssituation ist in den Medien omnipräsent und betrifft alle Schüler gleichermaßen. So divergierend der Kenntnisstand und Einblick in die Problematik innerhalb der Schülergruppe auch war, der Einstieg Vicentes mit handfesten Fakten war für jeden Einzelnen auf erneute Weise schockierend. Mehr als 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. 3324 Tote im Mittelmeer in 2014. 2016 bis jetzt schon über 1000. Ganz klar, tragen wir Verantwortung, doch „wir schaffen das“ – Deutschland trägt doch mit einer gewaltigen Aufnahme von Flüchtlingen fast die größte Verantwortung der Mitgliedsstaaten. Nur zu oft sind wir verleitet, so zu denken. Dann blicken wir auf den Libanon, in dem jeder Vierte ein Flüchtling ist.

Innerhalb Europas stoßen wir auf viele Bewegungen: Eine Rückbesinnung auf das Nationale, ein Europa, das somit abstrakt wird, eine eben nicht gleiche und solidarische Verteilung. Im Bewusstsein Deutschlands ist der Flüchtlingsstrom erst jetzt richtig präsent – dass die Randländer, wie z.B. Italien schon zuvor, dank Dublin-Abkommen, bereits mit großen Flüchtlingszahlen umzugehen hatten, gerät oft in Vergessenheit. Innerhalb Deutschlands jedoch profitieren wir von einem geregelten und gerechten Verfahren: Die Aufnahmequoten für die einzelnen Bundesländer werden nach dem Königsteiner Schlüssel festgesetzt, nach welchem die Berücksichtigung von Faktoren wie Größe, Einwohnerzahl, Wirtschaftskraft zu einer gleichmäßigen und solidarischen Verteilung führt.

Gerechtigkeit, Solidarität, europäische Werte, die viele im Bröckeln sehen. Deutschland erlebt einen Rechtsruck im Parteienspektrum und verliert bei besorgtem Blick auf die AfD häufig aus den Augen, dass rechtspopulistische Parteien nicht aus der Wiege der Flüchtlingskrise entstanden. Steigende Wählerzählen bei der FPÖ, dem Front Nationale, der Lega Nord sind eine allmähliche Bewegung, die ihre Wurzeln schon tiefer hatte. Doch wofür stehen diese rechtspopulistischen Parteien überhaupt? Nie für etwas, so Vicente, immer nur gegen etwas: Gegen Europa, gegen Flüchtlinge. Doch die wohl wichtigste Erkenntnis blenden solche Parteien wohl aus: dass die Religion keine Initialzündung für Terrorismus ist. So merkt er an, dass nicht die Muslime radikalisiert werden, sondern radikale Terroristen werden islamisiert. Sie suchen Rechtfertigung für ihr Handeln in der Fehlinterpretation des religiösen Fundaments.

Der in drei große Themenblöcke (Migration und Integration als Aufgabe, Islamismus und Terrorismus, Europa – Quo Vadis?) gegliederte Diskurs wurde mit so viel Interesse der anwesenden Schüler, darunter ebenfalls auch ein Leistungskurs des benachbarten Gymnasiums am Römerkastell, bekundet, dass Miguel Vicente zu den unterschiedlichsten Fragen jeden Themenblock betreffend Rede und Antwort stehen musste und dies auch auf eloquente und aussagekräftige Weise tat. Nicht nur wird das Elisabeth-Langgässer-Gymnasium mit seinem Titel geehrt, auch ist es geehrt durch Menschen, die solch interessante und gewinnbringende Diskurse durch ihre Erfahrung überhaupt erst ermöglichen.

Abschließend macht Miguel Vicente deutlich, dass auch vor der Flüchtlingskrise sicherlich nicht alles gut war in Europa, dass die Zusammenarbeit auf dem Kontinent nun aber umso dringlicher erscheint, dass machte er sehr wohl klar!

Hier geht es zum Artikel in der Allgemeinen Zeitung vom 17.05.2016

Eingestellt von Sarah Arnold