Faust: Der Tragödie erster Teil als Solotheater am ELG

Hinzugefügt am 21. Februar 2024

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Goethes Faust als Solo-Theater am ELG Freitag, 16. Februar 2024, Beginn 3. Schulstunde: Circa 170 Schülerinnen und Schüler der DeutschOberstufenkurse des Elisabeth Langgässer Gymnasiums warten auf Einlass in das Mensagebäude, während drinnen noch fertig aufgebaut wird. Die Jugendlichen sind geladen, einer besonderen Art von Unterricht beizuwohnen. In der „Teufelsschule“ sollen sie von dem Leiter derselben in der Kunst der Menschenmanipulation unterwiesen werden. Und wie ließe sich diese „Kunst“ besser erlernen als am Beispiel der Goetheschen Figur des Dr. Heinrich Faust, der einen Pakt mit Mephistopheles, dem teuflischsten aller Teufelsgesellen eingeht?

Die Existenzkrise des Gelehrten, sein ihn frustrierender, da nie zu befriedigender Drang, zu erkennen, was „die Welt im Innersten zusammenhält“, machen ihn empfänglich für das manipulative Ansinnen seines diabolischen Wettpartners. Letzterer spekuliert darauf, Faust mithilfe materiell-sinnlicher Genüsse dazu zu bringen, zum Augenblick zu sagen: „Verweile doch! Du bist so schön!“ Der Versuch des höllischen Manipulators, Faust vom rechten Weg abzubringen, um ihn sich seinerseits im Falle des Gelingens späterhin dienstbar zu machen, wird von dem Schauspieler Ekkehart Voigt im Rahmen eines Ein-Mann-Stücks mit selbst ersonnener Rahmen- und der Goetheschen Tragödie als Binnenhandlung auf die Bühne gebracht. Voigt nimmt seine jugendlichen Zuschauer mit auf eine theatralische Reise, welche über zahlreiche, bekannte Stationen führt : Vom Studierzimmer über Auerbachs Keller, die Hexenküche, die Straße vor Gretchens Haus, wo die Gretchentragödie ihren Anfang nimmt, bis hin zum düsteren Kerker, wo sie tragisch endet, vollzieht sich hier doch die Trennung der inzwischen zur Kindsmörderin gewordenen, jedoch zur Buße bereiten Margarete von ihrem mit Mephisto weiterziehenden Heinrich. Durch Mimik, Gestik und Stimme bzw. Tonlage klar voneinander unterscheidbar, werden sämtliche Figuren von Voigt verkörpert. Lediglich für den Pudel, dessen tierische Gestalt der Teufel bei seiner Erstbegegnung mit Faust annimmt, muss ein zum Hund geknoteter schwarzer Luftballon herhalten, der effektvoll platzt, als Mephisto in Erscheinung tritt.

Während die Schülerinnen und Schüler den facettenreichen Darbietungen des alle Rollen der Goetheschen Tragödie selbst spielenden Verwandlungskünstlers als Zuschauer aufmerksam folgen, ist ihnen bei der Gestaltung der Rahmenhandlung ein aktiver Part zugedacht. Wie eingangs erwähnt inszeniert Voigt sich hier als Mephistos Nachfahre in Gestalt eines Teufelsschulleiters, der dem anwesenden Publikum, welches er als formbaren Teufelsnachwuchs erachtet, Unterricht erteilt. In dieser Funktion erzählt er den Jugendlichen, wie es Faust in Begleitung Mephistos ergeht und fordert sie des Öfteren in recht dreistem, da teufelsgemäßem Ton zur Kommentierung des Geschehens oder gar zum schauspielerischen Eingreifen und Mitwirken auf. Während ein Schüler beauftragt wird, die hohen Spitzbogenfenster des gotischen Studierzimmers, in dem Faust vor sich hingrübelt, auf seinem Stuhl stehend durch Armbewegungen nachzuformen, sieht sich eine Schülerin mit der Aufgabe konfrontiert, die Vitrine in Gretchens Stube als Standbild darzustellen. Der dergestalt vermenschlichte Schrein nimmt das Kästchen in Empfang, in welchem sich der goldene Schmuck befindet, mit dem Fausts Auserkorene umworben wird. Solche Einsätze beleben die ansonsten bewusst minimalistisch ausstaffierte Kulisse. Durch Einbinden weiterer mehr oder weniger spontan Mitwirkender werden Klopfgeräusche oder etwa eine kurzfristig benötigte Volksfeststimmung durch Publikumsanimation erzeugt. Ein Busch schwebt dank Schülerzutun vom Zuschauerraum auf die Bühne und zurück und die Rolle von Gretchens Nachbarin, Frau Marthe Schwerdtlein, wird zeitweilig anders, und zwar mit einer jugendlichen Zuschauerin besetzt. Diese Art des „Mitmachtheaters“ belustigt und animiert den Saal.

In der Gesprächsrunde im Anschluss an die Aufführung betont der Schauspieler, für wie aktuell er Goethes Faust hält. Dies gelte gerade auch angesichts der Existenz politischer Chefmanipulatoren wie der Erdogans, Putins und Trumps dieser Welt, die das Zeitgeschehen in ihrem Sinne zu lenken versuchten. Bereitwillig stellt Voigt sich den Fragen seines jugendlichen Publikums, für das diese einprägsame Darbietung eine hilfreiche Annäherung an einen Klassiker des schulischen Deutschunterrichts gewesen sein dürfte. Und dies zumal die Tragödie von den meisten unter ihnen als sprachlich schwierig eingestuft wird – eine Hürde, die zu überwinden sich lohnt gemäß dem Faustschen Motto „Du kannst! So wolle nur!“.

Eingestellt von V. Wagner/ Bn